#1 Migräne-Medikamente: Ein Milliardenmarkt von Ursula 01.08.2015 20:07

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Sie tragen Sonnenbrillen in abgedunkelten Räumen, versuchen es mit kalten Essigkompressen oder kauen frische Ingwerwurzeln. Andere Migränepatienten halten es mit dem pochenden Schmerz tagelang nur im Dunkeln aus. Auf eines können sich die meisten unter den chronischen Kopfschmerzen Leidenden aber schnell verständigen: Die Pharmaindustrie hat sie in den letzten Jahren faktisch im Stich gelassen. Neben obskuren Hausmitteln wurde Patienten zuletzt mit dem toxischen Faltenkiller Botox zweifelhafte Hoffnungen auf Linderung gemacht.

Jetzt aber tut sich etwas. Vier bedeutende Pharmakonzerne haben eine erste Generation von Medikamenten entwickelt, die Migräneattacken mit ihren Begleiterscheinungen wie Übelkeit und Sehstörungen wirksam verhindern sollen. Alle Wirkstoffe kreisen um ein Peptid im Hirnstoffwechsel, das die Schmerzattacke auslöst - und alle können als Blockbuster-Kandidaten mit der Aussicht auf Milliardenumsätze gelten.

Erste Ergebnisse der Entwicklungen der Konzerne Teva Pharmaceutical Industries, Amgen, Eli Lilly und Alder Biopharmaceuticals lassen eine Wirksamkeit bei etwa der Hälfte der getesteten Migränepatienten erwarten, die auf zeitweise Erlösung von ihrer Schmerzerkrankung hoffen können. Das Umsatzpotenzial wird von Analysten auf 4 Mrd. Dollar bis 8 Mrd. Dollar pro Jahr geschätzt. Eine Verfügbarkeit der neuen Wirkstoffe, lautet eine andere Schätzung, würde die migränebedingten Krankheitstage reduzieren, die alleine in den USA die Wirtschaft 13 Mrd. Dollar pro Jahr kosten.

Häufige neurologische Erkrankung

"Das mit der Migräne verbundene Leiden wird wenig anerkannt", sagt die Aktivistin und Betroffene Cathy Glaser. Die 63-jährige New Yorkerin hat bereits 2006 eine Patientenorganisation gegründet, die Mittel für die Entwicklung von Medikamenten einspielen soll. Sie wollte sich nicht mit den unzureichenden Behandlungsmöglichkeiten abfinden.

Glaser erinnert sich an ihre Kindheit, in der die eigene Mutter regelmässig mit einem feuchten Tuch über den Augen im Bett liegen musste. Jahre später stellte sich heraus, dass auch sie und ihre Schwester anfällig für Migräneattacken sind. Ihre Tochter leidet an einer chronischen Form, die sie bereits in die Notaufnahme gezwungen hat.

Migräne gilt als eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen - in den USA sind etwa 36 Millionen Menschen betroffen, mehrheitlich Frauen. Geschätzt 3,2 Millionen leiden unter einer schweren chronischen Form, die sie mindestens 15 Tage im Monat ausser Gefecht setzt.

Neue Methode in der Forschung

Amgen, Alder, Lilly und Teva arbeiten für die Therapie an der Blockierung des Peptids CGRP, das eine Rolle bei der Entzündung und dem Schmerzübertragungsweg spielt. "Man könnte sagen, CGRP ist der Schlüssel und der Rezeptor ist das Schloss", erklärte der Alder-Vorstandsvorsitzende Randall Schatzman. Gehe der Schlüssel in das Schloss, so wird ein biologischer Prozess ausgelöst, in diesem Fall Kopfschmerz, der Migräne genannt werde. "Wir blockieren das Schloss", sagt er.

Der israelische Pharmakonzern Teva scheine ein wenig die Nase vorn zu haben, sagte Analyst Ronny Gal von Sanford C. Bernstein & Co., denn deren Wirkstoff sei bereits bei chronischer wie bei episodischer Migräne getestet worden. Lilly hingegen könnte als erster auf den Markt kommen. Hier befindet sich eine Testreihe für den selteneren Clusterkopfschmerz in einer späten Phase.

Vielversprechende Studien

Die Studien sähen bislang vielversprechend aus, aber es gebe weiterhin Unklarheit über die langfristige Sicherheit der Anwendung, sagte Professor Andrew F. Russo von der University of Iowa, der sich seit mehr als 30 Jahren mit CGRP beschäftigt. Entscheidend sei, sagte er, dass dieser Wirkstoff tatsächlich die Migräne verhindere.

Andere Pharmaunternehmen wie Merck und Boehringer Ingelheim hatten in der Vergangenheit mit CGRP-Blockern experimentiert, aber wegen Giftigkeit aufgegeben. Die neuen Wirkstoffe sind durchweg monoklonale Antikörper, bei denen Sicherheitsprobleme durch gentechnisch veränderte Zellen umgangen wurden. Offenbar sind Unverträglichkeiten und Nebenwirkungen kein Thema.

Entwicklungsleiter Rob Lenz von Amgen verweist auf die unterschiedlichen Testverfahren und dass es darum gehe, diese Medikamente besser zu verstehen: "Aber letztlich ist doch das Entscheidende, dass Migränepatienten eine passende und gut verträgliche Therapie erhalten werden".



http://www.cash.ch/news/alle/migraenemed...rkt-3351052-448

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